Boccia spielen

Erlebnisse

Boccia ist ein Spiel mit langer Tradition. Die gesellschaftliche Bedeutung, die es früher im Tessin einmal hatte, ist inzwischen aber verloren gegangen. Nur noch selten wird im Kreise der Familie oder unter Freunden zu den Bocciakugeln gegriffen. Die Disziplin hat sich, wenn überhaupt, in die Vereine auf Wettkampfebene ausgelagert. Bis in die Nachkriegszeit dagegen verfügte jedes Grotto über einen Ascheplatz, auf dem sich die Gäste nach dem Essen zu einer Partie Boccia treffen konnten. Wer heute Lust auf ein Spiel hat, im Tal oder am See, findet nur noch wenige Orte, wo das möglich ist. Doch einzelne Grotti mit Ascheplatz gibt es noch.

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Das richtige Boccia wird auf einem eingegrenzten, rechteckigen Ascheplatz von 25 Metern Länge und 5 Metern Breite gespielt. Die Kugeln (107 mm Durchmesser) und das Pallino (kleiner Ball, 4 cm) haben vorgeschrieben Masse und bestehen aus synthetischem Material. Es können jeweils ein bis vier Gegner gegeneinander antreten. Die Spieler werfen einen oder mehrere „bocce“ nacheinander, beide Mannschaften immer abwechselnd. Das Ziel ist es, so viele Kugeln wie möglich in die Nähe des Pallinos zu bringen. Zu Beginn wird per Los entschieden, wer den kleinen Ball werfen darf. Im Verlauf der weiteren Partie ist dies immer Aufgabe des Matchsiegers. Wenn alle Spieler ihre abgezählten Kugeln geworfen haben, wird ausgewertet, wessen Kugel am nächsten am Pallino dran ist. Die entsprechende Mannschaft erhält einen Punkt. Sollte auch die zweitnächste Kugel am Pallino derselben Mannschaft gehören, erhält diese noch einen Punkt, dasselbe gilt für alle weiteren Kugeln. Wird die zweitnächste Kugel (oder dritt- oder viertnächste etc.) stattdessen den Gegnern zugeordnet, ist die Zählung beendet und das Spiel beginnt von vorne. Gewonnen hat die Mannschaft, die als erste 15 Punkte sammeln kann.

Es gibt zwei verschiedenen Wurfarten, „accosto“ und „bocciata“. Bei dem ersten ist es das Ziel, seine Kugel so nah wie möglich an das Pallino zu positionieren. Beim zweiten Wurftyp, der mit viel Kraft erfolgt, wird versucht, gegnerische Kugeln möglichst weit weg zu schlagen.

Spiel mit langer Tradition


Die Wurzeln des Boccia-Spiels, das auch als Boule bekannt ist, liegen sehr lange zurück: In der Türkei wurden tatsächlich Steinkugeln aus dem Jahr 7000 vor Christus entdeckt, die als Vorgänger der heutigen Boccia-Kugeln gelten. Das moderne Boccia breitete sich in Europa im 17. Jahrhundert aus. Gespielt wurde auf Marktplätzen und auf der Strasse, in Gärten und den Parkanlagen des Adels. Gemäss des Tessiner Historikers Ottavio Lurati hatten zahlreiche Monarchen in Europa einen Faible für das Wurfspiel. So sei am englischen Königshaus, zu Zeiten von Elisabeth I, Boccia der wichtigste Zeitvertreib gewesen. In den folgenden Epochen verbreitete sich Boccia auch immer mehr in Italien. Von dort aus fand es dank der vielen italienischen Auswanderer seinen Weg rund um die Welt. Heute wird Boccia oder Boule auf allen Kontinenten und in 110 Ländern praktiziert.
Im Tessin wurde Boccia zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt und in den darauffolgenden Jahrzehnten immer populärer. Der Tessiner Künstler Emilio Rissone (geboren 1933 in Lugano) machte die Kugeln früher zum häufigen Motiv seiner Gemälde. Die jüngeren Generationen können sich dadurch ein lebhaftes Bild davon machen, wie es aussah, wenn die Familien im Tessin ihre Sommernachmittage beim Boccia-Spiel im Grotto verbrachten. Heute hat sich Boccia in die Vereine verlagert, wo professionelle Bahnen zur Verfügung stehen. Nur noch selten trifft man auf alte Aschebahnen. Doch einige Grotti und Trattorien verfügen tatsächlich noch über die entsprechende Infrastruktur (Infos: lokale Tourismusbüros).

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